Die "richtige" Inflationsdefinition entscheidet über langfristigen Kaufkrafterhalt

verfasst von Florian Sollfrank (Stand: 09/08)

Das Thema „Inflation“ wird in diesen Tagen häufig in den Medien diskutiert. Auffällig ist hierbei jedoch, dass mittlerweile die Begriffe „Inflation“ und „Teuerungsrate“ gleich gesetzt werden. Dieser Irrtum dürfte sich jedoch künftig auf den längerfristigen Kaufkrafterhalt von Vermögenswerten noch drastisch auswirken! Als Anleger sollte man zwischen den vorherrschenden Begrifflichkeiten unbedingt unterscheiden können.

 

Im heutigen Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen – aber auch bei den Notenbanken selbst – versteht man unter Inflation üblicherweise den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Die berühmt-berüchtigte Abwandlung davon ist das Konstrukt der „Inflationsrate“. Diese soll die Teuerung mittels eines Konsumentenpreisindizes – im Euroraum harmonisierter Verbraucher-preisindex (HVPI) genannt – messbar machen.

 

Der besagte Index steigt nun seit einiger Zeit kontinuierlich an und wies zuletzt im Juni 2008 für den Euroraum sogar eine Teuerungsrate von 4,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat aus. Angesichts der Tatsache, dass dieser Wert ohnehin schon sehr hoch ausfällt (die Europäische Zentralbank strebt bekanntlich eine Preissteigerungsrate von maximal 2,0 Prozent an), ist selbst die Aussagekraft von Zahlen in dieser Größenordnung aus mehreren Gründen noch mit Vorsicht zu genießen.

 

So lassen zum einen diverse angewandte Berechnungsmethoden dieses Konzept der Inflationsmessung als absurd erscheinen. In den USA werden z. B. seit einigen Jahren relativ teuer gewordene Güter im zugrunde liegenden Warenkorb durch günstigere Waren ersetzt, da unterstellt wird, dass die Verbraucher preisbewusst handeln würden. Statt teuerem Rindfleisch fand sich so im Zuge der BSE-Krise zwischenzeitlich günstigeres Geflügel im Warenkorb, obwohl die Verbraucher tatsächlich weiter Rind nachfragten.

 

Haben sich zudem Waren aufgrund von technischen Neuerungen verteuert, wird in der US-Statistik unterstellt, dass die Verbraucher dies als Gewinn betrachten würden. Die Teuerung wird in einem solchen Fall einfach heraus gerechnet, da die Verbraucher nach dieser Logik schließlich auch mehr für ihr Geld bekämen. Diese so genannte „hedonistische Inflationsberechnung“ hat im Zuge der europäischen Harmonisierung auch bei den EU-Statistiken Einzug gehalten. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, geht in seinem aktuellen Buch „Endlich Klartext“ näher auf die angewandten Berechnungspraktiken ein, deren Anwendung dazu führt, dass die Inflationsrate tendenziell zu niedrig ausgewiesen wird.

 

Das Konzept der Teuerungsberechnung über einen Warenkorb, ist vor allem aber aus einem ganz anderen Grund problematisch: Sie stellt die Wirkung in den Vordergrund, nicht die eigentliche Ursache! Dies zu erkennen, ist sehr wichtig, denn nur so können tägliche Meldungen wie z. B. „die steigenden Energiekosten führen die Inflation auf ein neues Hoch“ als absurd entlarvt werden. Absurd deswegen, weil Inflation bewiesenermaßen immer ein rein monetäres Phänomen darstellt. Es gibt wohl nur wenige Zusammenhänge in der Wissenschaft, die durch Studien so eindeutig belegt sind, wie eben dieser, dass eine Ausweitung der (ungedeckten) Geldmenge in der Folge zu steigenden Preisen führen muss. Wie bei jedem anderen Gut führt die Ausweitung des Angebots zu einer Reduktion des Preises dieses Gutes, was beim Geld schlichtweg die Verminderung der Kaufkraft bedeutet.

 

Somit bleibt festzuhalten, dass man sich bei der Berechnung der offiziellen Inflationsrate lediglich auf Symptome (Preissteigerung) konzentriert, während die eigentliche Ursache völlig ausgeblendet wird. (Oder konnten Sie den Massenmedien schon einmal entnehmen, dass die Ausweitung der Geldmenge seit Jahren auf einem neuen Hoch angelangt sei…?)

 

Die wirklich treffende Inflationsdefinition, die sich auf die eigentlichen Ursachen besinnt, liegt stattdessen in der Betrachtungsweise der österreichischen Schule der Nationalökonomie. Der amerikanische Ökonom Murray N. Rothbard definiert Inflation ganz klar als Ausweitung der ungedeckten Geldmenge. Darunter ist die Ausgabe von Banknoten, Sichteinlagen usw. ohne die vollständige Deckung durch eine Ware (z. B. Gold und Silber) zu verstehen. Der einstige Mentor von Rothbard, Ludwig von Mises, unterschied in seinem Buch „Theorie des Geldes und der Umlaufmittel“ begrifflich sogar zwischen zu 100 Prozent gedeckten Tauschmitteln und jenen, welche diese Deckung nur teilweise oder gar nicht aufweisen.

 

In der Gegenwart lässt sich das Geldmengenaggregat M3 adäquat als Messfaktor für die tatsächliche Inflationsentwicklung hernehmen, welche im Euroraum im Juli 2008 bei 10,3 (!) Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitrau lag. Die klassische Art der Inflationsmessung gelangt also zu deutlich höheren Werten, als die amtliche Statistik. Die klassische Inflationsdefinition ist in ihrer klaren Ursachenbenennung der Mainstream-Variante eindeutig überlegen. Vor allem Anleger und Sparer sollten dies erkennen und imstande sein, die Inflation richtig einzuschätzen. Schließlich birgt eine fälschlicherweise zu niedrig eingeschätzte Inflation die Gefahr in sich, in nicht inflationsgeschützte Anlageformen zu investieren (z. B. kapitalbildende Lebensversicherung statt Goldinvestment) und in der Folge die Kaufkraft des mühsam erarbeiteten Kapitals schwinden zu sehen.

 

Heutzutage ist mittlerweile in fast allen Ländern das Wachstum der ungedeckten Geldmenge zweistellig. Für die daraus resultierenden Preissteigerungen werden in der öffentlichen Diskussion meist die Unternehmen verantwortlich gemacht. Dies zeugt natürlich von mangelnder Kenntnis ökonomischer Grundzusammenhänge. Schließlich können Unternehmen zwar einzelne Preise erhöhen, der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus kann allerdings nur die unvermeidliche Folge des ursächlichen Anstiegs der ungedeckten Geldmenge sein! Würde sich die Geldmenge nämlich nicht wesentlich ändern, wie es z. B. zu Zeiten des Goldstandards der Fall war, muss die Erhöhung der Preise in einem Wirtschaftssektor nämlich zwangsweise zu einem Sinken der Preise in einem anderen Sektor führen. Das „Preisniveau“ insgesamt bleibt also konstant und wird somit auch nicht durch unternehmerische Entscheidungen erhöht.

 

Von meist (zu Recht) kritischen Analysten wird häufig eine weitere Inflationsdefinition angeführt, auf die ich nachfolgend noch eingehen möchte. So sei Inflation der Unterschied zwischen dem Geldmengenwachstum und dem realen Wirtschaftswachstum. Auch hier wird völlig korrekt die Geldmenge als Inflationsursache in den Vordergrund gestellt. Hierbei ist jedoch u. a. anzumerken, dass zur Berechnung des realen Wirtschaftswachstums letztlich zunächst das nominale Wirtschaftswachstum um die Inflation bereinigt werden muss. Aber wie soll das bewerkstelligt werden, wo doch gerade die Inflation die Unbekannte darstellt, die ja schließlich berechnet werden soll?

 

Zudem ist seit Längerem bekannt, dass die gleichen Berechnungsmethoden, die zur Verminderung der offiziellen Inflationsrate angewandt werden (z. B. Hedonik) in umgekehrter Art und Weise für die Errechnung des Wirtschaftswachstums herangezogen werden. Dies bedeutet, dass das Wirtschaftswachstum hierdurch tendenziell höher ausgewiesen wird, als dies tatsächlich der Fall sein dürfte. Dies sah auch der mittlerweile leider verstorbene Ökonom Kurt E. Richebächer so, der in seinem Vortrag auf der Edelmetall- und Rohstoffmesse 2005 in München besonders die in den USA ausgewiesenen BIP-Zahlen sehr kritisch beäugte. Zitat: „Ich würde sagen (…), dass die BIP-Zahlen gefälscht sind. Sie sind überhöht durch eine untertriebene Inflationsrate. (…) Die BIP-Zahlen geben ein komplett falsches Bild von dem wahren Wachstum, welches in der US-Wirtschaft stattfand.“ Im Endeffekt würde die Inflation also selbst bei Verwendung obiger Formel immer noch zu niedrig angesetzt werden!

 

Fazit: Ziehen Sie im Zweifel lieber die klassische Inflationsdefinition der österreichischen Schule den anderen Varianten vor. Angesichts dieser mittlerweile beängstigend hohen Zahlen werden Sie erkennen, dass es absolut notwendig ist, in inflationsgeschützte Anlageformen wie Gold und Silber zu investieren, um die Kaufkraft Ihres Vermögens auch längerfristig erhalten zu können.

 

„Keine Wette war in den Jahrhunderten der Währungsgeschichte sicherer zu gewinnen als die, dass ein Goldstück, das der Inflationspolitik der Regierungen unzugänglich ist, seine Kaufkraft besser bewahren würde als eine Banknote.“ (Wilhelm Röpke)